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Inhalt
Von oben vom Kran sieht man Kiel, so wie fast ganz Kiel den Kran sieht. Ohne den Kran geht nichts. Wenn der Kran stillsteht, steht steht die Werft still. Spannend wird es also, wenn der Kran nach 31 Jahren modernisiert werden soll, ohne der ganzen Arbeitsplan über den Haufen zu werfen. Neun Wochen kann die Werft Pause machen, plus/minus 3 tage, mehr Zeit ist nicht – und die Aufgabe kolossal. Alle beweglichen Teile müssen ab und der Kran gesichert werden, dann übernimmt eine externe Firma. Und nach der Installation der neuen Steuerung wird erstmal getestet. Dazu ist dann die Stammbelegschaft wieder da.
Fredo Wulf blieb die ganze Zeit. Er filmte den Betriebsrat, der zu Hause zur Gitarre singt, den türkischen Kraneinteilungsleiter der den Umbau für fünf Wochen Heimaturlaub nutzt, und den Werftler, der der Kündigung ins Auge sieht. Er filmte im Pausenraum der Belegschaft, er filmte Kabbeleien unter Kollegen, bei denen gelegentlich die Nationalität der Eltern eine Rolle spielt, in denen aber vor allem die lange Zeit mitschwingt, die man im Team arbeitet auf der Werft. Noch darf geraucht werden im Pausenraum - wie lange noch, das hängt im Sommer 2006 davon ab, ob einer sich beschwert.
Wulf filmte den Kranführer, der hoch über der Werft von den Zuständen nach Kriegsende berichtet, als alles voller Rauch und Dreck und Hitze war, aber die Belegschaft noch in die Zehntausende zählte. Uns am Ende des Sommers dann die Freigabe: „Katze gut“. Der überholte Kran, fit für die nächsten 30 Jahre, wird die alten Mitarbeiter überdauern.
Caroline M. Buck -
Team
Regie: Fredo Wulf
Kamera: Rainer Komers, Volker Tittel (bvk)
Ton: Fredo Wulf
Produktionsleitung: Eva Wittke NDR, Quinka Stoehr Stoehrmedien
Schnitt: Margot Neubert-Maric
Dramaturgische Beratung: Klaus Wildenhahn, Kay Ilfrich
Redaktion: Bernd Michael Fincke, NDRgefördert durch MSH, Gesellschaft zur Förderung audiovisueller Werke in Schleswig-Holstein GmbH und kulturelle Filmförderung in Schleswig-Holstein
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Pressestimmen
Hamburger Abendblatt vom 23.Juni 2008
von Volker BehrensHelden von den Howaldtswerken
Er ist ein industrielles Wahrzeichen Kiels. Der mehr als hundert Meter hohe Portalkran der Howaldtswerke, der „Krupp“. Als vor Kurzem die veraltete Technik des mächtigen Hebewerkzeugs ausgetauscht werden musste, blickte der Kieler Dokumentarfilmer Fredo Wulf den Arbeitern auf der größten Werft Deutschlands über die Schulter.
U-Boote, Yachten, Containerschiffe - bei HDW werden viele Arten von schwimmenden Fortbewegungsmitteln gebaut. Aber dazu brauchen die Arbeiter den großen Kran. Wulf hat auf der Werft beeindruckende Bilder eingefangen. Hoch über der Förde geht der Kranfahrer seiner Arbeit nach, aber für die atemberaubende Aussicht hat er keine Zeit. Hundert Meter unter ihm sagt der Anschläger, wohin er das Arbeitsgerät steuern soll. „Katze gut!“ heißt das Kommando, wenn die richtige Position erreicht ist.
Die Helden dieses Dokumentarfilms sind die Arbeiter, denen sich der Regisseur nähert. Knuffige, humorvolle Typen mit viel Erfahrung und Sinn für Teamgeist, die aus ihrem Leben erzählen. Sie sind nicht mehr jung, ihre Gespräche drehen sich um den Vorruhestand, Tarifverträge und die Sorgen um den Arbeitsplatz. Sie reden über die zurückliegenden Entlassungswellen und darüber, dass bei der Werft früher einmal 13 000 Menschen beschäftigt waren. Heute sind es nur noch 2400, erfährt man auf der Homepage des Unternehmens. Es ist ein stimmungsvolles Porträt. Nur hätte man sich manchmal ein paar zusätzliche Informationen, vielleicht im Off-Kommentar, gewünscht. Aber Fredo Wulfs Ansatz ist der des „direct cinema“, das die Realität möglichst unverfälscht und ungebrochen darstellen will. Ein Ansatz, der gut zum Arbeitsalltag der Männer und Frauen in diesem Riesenstabilbaukasten HDW passt.
Kieler Nachrichten vom 15.November 2007
von Jörg MeyerDer Kran, die Kumpels, die Kamera
Drei Männer schauen gespannt hinauf zum „Krupp“, dem Portalkran auf HDW, der „ein inoffizielles Wahrzeichen Kiels ist“. „Katze gut!“, melden sie per Funkgerät, wenn der Kran und seine Traversen in richtiger Position sind.
Fredo Wulf, Kieler Dokumentarfilmer, hat sie in seinem Film „Katze gut – 9 Wochen auf der Kieler Werft HDW“ begleitet, wie sie bangen und hoffen, dass die Modernisierung des Krans, ihres wichtigsten „Kollegen“, termingerecht gelingt.
„Ich bin in Bremerhaven und Kiel aufgewachsen, zwei Städten, die von Schifffahrt und Schiffbau geprägt sind“, erzählt Wulf. „Da lag es nahe, dass ich irgendwann mal einen Film über die Arbeit auf der Werft machen wollte.“ Das Meer, die Schiffe hat er sich selbst buchstäblich „erfahren“. 1991 heuerte Wulf auf einem Fischkutter auf der Nordsee an. Darüber hätte er auch einen Film machen können, „aber es interessierte mich mehr, die Klischees über Schiffbauer – muskelbepackte Arbeiter, die mit der Bierbuddel in der Hand dem Stapellauf zusehen – zu demontieren.“ Die Kranfahrer und Anschläger, die Wulf wie den Umbau des „Krupp“ im Sommer 2006 porträtiert, sind zwar raue Gesellen, die in der „Kranbude“ manchen bärbeißigen Witz reißen, aber ebenso feinfühlig, wenn sie hunderte Tonnen schwere Schiffssektionen millimetergenau manöverieren.
Der Film über die „HDWler“, denen „diese corporate identity wie ins Stammbuch geschrieben ist“, hätte ganz gewöhnlich werden können. Doch Wulf wollte, obwohl sein Film vom NDR Fernsehen koproduziert wurde (die Hauptfördergelder stammen indes von der MSH und der Kulturellen Filmförderung S.-H.) „keine Dokumentation machen, sondern einen Dokumentarfilm“. Während Dokumentationen Antworten liefern, wolle ein Dokumentarfilm „eher Fragen aufwerfen, die sich der Zuschauer aus dem Gezeigten selbst beantworten muss“.„Direct Cinema“ heißt Wulfs Credo: Der Filmemacher beobachtet und greift so wenig wie möglich in das Geschehen ein. „Am besten, wir sind als Filmteam unsichtbar.“ Eine Art „Dogma“, wie das in den 90er Jahren für den Spielfilm formuliert wurde: „Kein künstliches Licht, bewegliche Handkamera, schlankes Aufnahmeteam, keine Inszenierung.“ Denn: „Das Material ist intelligenter als der Filmemacher.“
Dennoch haben Wulf und seine Kameramänner nicht einfach nur „draufgehalten“. Bevor er mit Volker Tittel und Rainer Komers auf die Werft ging, war Wulf dort drei Monate auf Recherche und „war ein Teil des Teams der Schiffbauer“. So hat er „Vertrauensverhältnisse“ mit den HDWlern aufgebaut, die im Film ungemein unmittelbar als sie selbst erscheinen.
Während vordergründig die Geschichte des Umbaus des Krans erzählt wird, gewinnen die Akteure, die „Kranmänner“, persönliches Profil. Das ist die Stärke dieses Dokumentarfilms. Etwa wenn Betriebsrat Michael Uprichard von den harten Zeiten der Massenentlassungen erzählt und man ihn hernach „ganz privat“ erlebt, wie er Folksongs aus seiner nordirischen Heimat singt. Oder Ralf Hartmann, der der Entlassungswelle zum Opfer fiel, aber nun wieder als Zeitarbeiter auf „seine HDW“ zurückgefunden hat – freilich wieder um seinen Job bangend. Nicht zu schweigen vom dienstältesten Kranfahrer Dieter Nehls, der oben in der Kanzel des „Krupp“ von den alten Zeiten erzählt, aber auch noch nicht weiß, wie und wann er nach 45 Jahren auf der Werft in Rente gehen kann. Und Mustafa Eris, der sympathische Chef der Anschläger, der seinen Kollegen zu seinem Urlaubsanfang Döner in der Kranbude kredenzt.
Am Ende hat der Kranumbau geklappt, der „Krupp“ hat seine Katze wieder „gut“. Ein Happy End für einen Film, der ganz nah dran ist an Kiel, Kiels Werft und an den Menschen, die dort nicht nur arbeiten, sondern auch leben.