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Inhalt
Geschichten brauchen Erzähler*innen: Zeitzeugen aus Flensburg, die Lebens-, Stadt- und Weltgeschichte miteinander verknüpfen.
Da ist Svetlana Krätzschmar, die ehemalige Flensburger Stadtpräsidentin aus der Sowjetunion in die DDR übergesiedelt und schließlich in den Westen ausgereist. Ihr Vater erzählte ihr eindringlich, dass der Krieg nicht am 8. Mai mit der Kapitulation in Berlin zu Ende ging, sondern erst einige Wochen später in Flensburg mit der Verhaftung der letzten deutschen Reichsregierung in der nördlichsten Stadt Deutschlands. Heute ist Svetlana Krätzschmar immer noch sehr erstaunt, wie das Leben sie genau hierhin gebracht hat. Die Schauspielerin Renate Delfs spricht bei ihrem letzten Filmauftritt Petuh, eine typische Flensburger Sprache, die aufgrund der wechselhaften Flensburger Geschichte entstanden ist. Es ist eine Vermischung von Dänisch und Deutsch. Sie erinnert sich am Strand, wo sie immer noch täglich baden geht, an die Verbrechen der damaligen Dönitzregierung. Nach dem 9. Mai wurden noch Soldaten standrechtlich erschossen, weil "sie nach Hause" wollten. Hülya Özdemir ist mit ihren Eltern aus der Türkei nach Hamburg emigriert. Heute lebt sie mit ihrer Familie in Flensburg. Die Sprache der Menschen in Flensburg kam ihr sehr eigenwillig vor und wenn sie darüber sinniert, wo ihre Heimat ist, dann weiß sie nicht, ob sie Deutsche oder Türkin ist, nein, Deutsche eher nicht, aber schließlich doch Europäerin.
Rainer Prüß, ist Grafiker, Musiker, Architekt und schreibt Gedichte in Plattdeutsch, in der Sprache, mit deren Klang er in Kindheit und Jugend aufgewachsen ist. Seine Themen weisen Bezug zur Geschichte der Stadt auf, die er kritisch begleitet.
Anke Spoorendonk, ehemalige Ministerin für Justiz und Kultur des Landes Schleswig-Holstein, gehört zur dänischen Minderheit. Ihre Eltern haben sich nach dem Krieg bewusst dafür entschieden, zur dänischen Minderheit gehören zu wollen. Ihr Vater war im Russlandfeldzug und vertraute nicht auf eine demokratische Entwicklung Deutschlands. Anke Sporendonk lebt in Flensburg und war die erste Ministerin des SSW, der Partei der dänischen Minderheit in Deutschland.
Dr. Imani Tarfari-Ama, Kulturwissenschaftlerin aus Jamaika und Nachfahrin der verschleppten Sklaven, gestaltet im Schifffahrtsmuseum eine Ausstellung zur Verstrickung Flensburgs in den Kolonialismus und Sklavenhandel. Sie wirft kritische Fragen zum Umgang der Flensburger mit ihrer Vergangenheit auf. Der Präsident der Europa-Universität Flensburg, Prof. Dr. Reinhart aus Kaiserslautern stammend, liebt das Flensburger Schietwetter und wirbt mit seiner Arbeit für den Europa-Gedanken als Garant für Frieden und Freiheit. Matthias Weiß ist Vorsitzender der Sinti und Roma in Schleswig-Holstein, er spricht neben Deutsch auch Romanes und erinnert an seine Familie, die aus Flensburg während der Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft deportiert und ermordet wurde. Er hält ein bewegendes Plädoyer gegen Gewalt und Ausgrenzung.Der Film öffnet Raum, die Protagonisten kennenzulernen: Während sie ihre persönlichen Geschichten und Erinnerungen, die sie mit dieser Stadt verbinden, erzählen, erscheinen schlaglichtartig Ereignisse der deutschen und europäischen Geschichte auf: Die Vergangenheit stellt sich neben die Gegenwart.
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Team
Idee: Matthias Bauer, Iulia Patrut
Regie und Kamera: Quinka Stoehr
Regie, Ton und Montage: Fredo Wulf
Produktion: StoehrMedien mit Iulia Patrut und Matthias Bauer